XY noch unbekannt

... obwohl der Gesuchte vielerlei Spuren in allerlei Größen und Farben hinterlassen hat. 30 Jahre lang in Tübingen. Und doch nicht stadtbekannt.

Heinrich Fischer.

Seit 1976 hat er bis zu seinem Tod Ende Juli 2005 in der Marquardtei gewohnt und gearbeitet. Wobei sich die eingangs erwähnten Spuren nicht auf den unsachgemäßen Transport von mit Wilden Kartoffeln gefüllten Tellern bezieht, sonder vielmehr auf das Aufbringen von Ölfarbe auf Leinwand oder auf Heinrichs geniale Einfälle, wie man zwei Fotos aus Zeitschriften ausschneiden und auf Papier kleben kann.

Heinrich Fischer, tatsächlich ein einzigartiger Künstler. "Tatsächlich" und "einzigartig" sind wörtlich zu nehmen. Bei keinem einzigen seiner Werke beschleicht einen das Gefühl, es schon einmal in Berlin, München, Rom, Paris gesehen zu haben. Selbstverständlich hat er die Kunstszene gekannt und wurde von mancherlei inspiriert und beeinflusst - mit den Augen darf man bekanntlich stehlen - er hat aus allem stets einen "Fischer" gezaubert.

Heinrich Fischer.

Am 08.06.1948 wurde er in Göppingen als Sohn des Elektroingenieurs Max Fischer geboren. Ein Jahr später bekam er einen Bruder, der heute in Hamburg lebt und sich zu dem bekannten Rockmusiker Frank Fischer entwickelt hat, den Lou Reed in seiner Band nicht missen wollte. Heinrichs Schullaufbahn endet 1964 / 65 mit dem Erwerb der Mittleren Reife an der Uhland-Realschule in Göppingen. Nach bestandener Gesellenprüfung als Werkzeugmacher arbeitet er noch drei Jahre bei der Firma Schuler-Pressen in Göppingen. Das "Schulerblau" hat Heinrich auf etlichen Leinwänden verewigt.

Freizeitmaler Papa Fischer hat bei seinem Sohn anscheinend künstlerisches Interesse geweckt. Jedenfalls hat Heinrich - kaum hatten seine Eltern das Haus zwecks Urlaubsreise nach Nordfrankreich verlassen - seine Fähigkeiten ausprobieren wollen und den "Kanonenschuss" von Willem van de Velde, dem "Raffael der Seemalerei", ebenfalls Maler-Sohn, kopiert.

Bei Heinrich (!) deutlich der holländische Patriotismus zu erkennen.

Selbiges Œvre hat Mama Fischer unter Heinrichs Bett gefunden. Die Eltern erkannten sofort das Talent ihres Sohnes. Der Kanonenschuss war wirklich der Knaller: Die Aussicht f&252;r Heinrich, nicht mehr in der Schuleralltag gepresst zu werden, sondern das Leben als freier Künstler gestalten und bewätigen zu dürfen.

Heinrich hatte Blut geleckt und machte sich sofort an seine nächste Arbeit. Ein weiterer Holländer namens Willem wurde kopiert...

Im Wintersemester 1972 / 1973 begann Heinrich Fischer an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart sein Studium. Die umfangreichen Arbeiten, die dort bei der Begabtenprüfung einzureichen waren, haben die 14 Professoren, die darüber ihr Urteil abzugeben hatten, davon überzeugt, dass sie einen förderungswürdigen Kandidaten vor sich hatten. Heinrich entschied sich für das Malereistudium bei Herrn Prof. Dr. Paul Uwe Dreyer, dem langjährigen Direktor der "Aka". Seine Mühen wurden belohnt. 1976 gewann er mit einigen konstruktivistischen Arbeiten zusammen mit seinen Kommilitonen Koichi Nasu (* 1947, † 03.03.2003) und Frieder Küner den Ersten Preis im Jugendwettbewerb der Künstlergilde Ulm.

Im selben Jahr zog Heinrich mit ein paar Freunden nach Tübingen, unter ihnen Malerkollege Ernst Mücke, der in München studiert hatte. In der Marquardtei fand Heinrich Wohnung und Atelier. Hier lebte und arbeitete er bis zuletzt. Wenn ganz oben links der Vorhang, der das jeweilige Bild auf der Staffelei vor Sonneneinwirkung schützen sollte, nicht zugezogen war, wussten Eingeweihte den Künstler bei der Arbeit.

Es bleibt nicht bei konstruktivistischen Arbeiten. Es folgen gegenständliche Darstellungen. Was keinen Bruch mit Heinrichs bisherigem Leben bedeutet, sondern "Heinrich ging immer grade seinen Weg", wie es Professor Dreyer einmal auf den Punkt gebracht hat. Wie auf Göppinger Märklin-Gleisen. Wir treffen immer wieder auf dieselben Motive. Spielkarten, Füße und deren Spuren, Bauwerke und andere Werke, oft auch Werbung, die menschlicher Erfindungsgeist geschaffen hat. Vor allem Konstruktionen aus dem Bereich der Technik. Flugzeuge, Autos, Werkzeug, Schrauben, oft gemalt im Firmenblau der Firma Schuler, in "Schulerblau". Zapfhähne aus der Marqua usw. Nicht verwunderlich: Papa Fischer war schließlich Ingenieur. Heinrichs Erinnerungen an die Gerätschaften bei Schuler immer präsent. Als heimatverbundener gebürtiger Göppinger hat er immer wieder im Märklin-Museum vorbeigeschaut, wie aus seinen umfangreichen Wanderaufzeichnungen ersichtlich ist. Wer mag, kann die gemalten Schwellen zählen. In seinen Bildern hat Heinrich stets eigene Erinnerungen und Gedanken verarbeitet. Es sind live-Bilder.

Bei der Ausführung seiner Arbeiten war die Ausbildung in konstruktivistischer Malerei bei seinem Lehrmeister Dreyer Gold wert. Perfekter als Heinrich kann keiner die Feststellschraube einer Duschbrause oder die Wählscheibe eines Telefons inÖl auf Leinwand realisieren. Oft hat der Schlingel ganz bewusst Fehler eingebaut: eine falsche Schieblehre ("Die Größe des Augenblicks"), ein falsches Skelett ("Die Nähe des Riffs"), Zähne werden nicht über-, sondern unterkront ("Das hohe C").

A la Fischer auch seine Signaturen: "Unten rechts kann jeder unterschreiben" hat er immer wieder doziert. Folglich suchen wir dort vergeblich seine Unterschrift. Jedes Jahr an Silvester wird auf den Montagen zum Datum noch die Uhrzeit ausgewiesen.

Heinrichs Darstellungen werden teils als Stillleben auf Leinwand gebannt, teils werden sie eingebettet in dramatische Situationen, Schnappschüsse, fast immer angereichert mit der heinrichseigenen assoziativen Ironie. Ein moderater Surrealismus bezüglich Idee und Ausführung.

Das Bild "Jahrestag" führt zwei Machthaber im Stechschritt vor, hinten an der Wand eine Reihe von Zapfhähnen (Marqua!), die wie Gewehre anmuten. Die Zapfhahngewehre glänzen genau so poliert wie die Ehrentagsklamotten der erwähnten Personen.

"Die Winterreise" zeigt uns Soldaten im Schützengraben, flankiert von Autowracks und Grabsteinen.

Ein Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe hatte Heinrich seine Art der Dokumentation fertig. "Schneller Brüter": Ein Embryo, angeschlossen an Brut- und Brennelemente.

"Sieger" Präsentiert uns den Mündungslauf einer Pistole, der an eine Uhr erinnert. Gleichzeitig kann man ihn für die Erdkugel bei einer Sonnenfinsternis halten. "Sieger" bedeutet gleichzeitig "Besiegte". Wenn es Sieger gibt, dann auch Besiegte. Der einzig wirkliche Sieger aber ist die Zeit, denn sie besiegt auch die Sieger, und zwar im ganzen Universum (im Bild dargestellt durch die Korona).

Die Themen Sieger - Besiegte, Machthaber - Untergebene, Große - Kleine, eingebettet in Zeit - Raum, lagen Heinrich ganz besonders am Herzen. Oft stellt er den so genannten Kleinen Mann dar, der sich gegen etwas Mächtiges, Bedrohliches nicht wehren kann. Ein kleiner Putzmann wischt neben einem muskulösen Arm mit Maschinengewehr: "Allzweckreiniger: Die Ordnung ist wieder hergestellt (Das Blut ist aufgewischt)". Diese Doppeldeutigkeit ist nicht zufällig.

Einer verlorenen menschlichen Figur auf einem riesigen Räderwerk droht, wenn nicht zermalmt zu werden, dann ins Meer zu stürzen: "Auf der Galeere". Der Fatalismus, die Ausweglosigkeit trotz Alternativen ebenfalls nicht zufällig. Ein hilfloser Patient ist den Instrumenten (Produkte von Schuler?) eines eifrigen Zahnarztes ausgeliefert:"Überfall der Komantschen". Im "Sisyphus" oder dem "Mimosensträßlein" sehen wir endlose Gleise (von Märklin?), Schwellen in Peitschenform. Wieder Gedanken an Ausweglosigkeit, ewige Mühe, der Weg nach Nirgendwo oder ins Ungewisse. Nicht jeder weiß, dass Bahnschwellen auch "Rücken genannt werden. Heinrich wusste es (cf. Traumtagebuch). Mit der Peitsche traktiert.

Die Sicht auf den kleinen emsigen Leidenden gepaart mit dem Wunsch, Macht haben zu dürfen, ein Top Dog zu sein, um nach dem Rechten sehen zu können. Gleichzeitig Arbeiter und Machthaber, gleichzeitig Arzt und Patient, gleichzeitig Ingenieur einer Maschine und von dieser bedroht. Nicht von ungefähr hat Heinrich über Paradoxien, über Zirkelschluss, den circulus vitiosus, gebrütet. Heinrich war sozialkritisch, wobei er selber ein Rädchen dieses Sozialgefüges gewesen ist.

Am wichtigsten genannter Zeitfaktor. Dargestellt in der Form einer Uhr oder mittels kreisförmig angebrachter Ziffern von 1 bis 12, die sich wiederum zifferblattartig um sich selber drehen, stellvertretend fÊr Leben und Vergänglichkeit. Sehr offensichtlich in "Wie eine tickende Uhr bei Gegenlicht". Selbst mit dicker Sonnenbrille haben wir keine Chance, der Zeit ein Schnippchen schlagen zu können. Auch bei diesem Bild universal gedacht (Korona).

Was seine Bilder so überaus sehenswert macht, ist außer der beschriebenen Perfektion und Ideenvielfalt die immer präsente Portion an Ironie! Technisch sind viele Arbeiten in Bild-in-Bild-Technik ausgeführt.

Ironie und Humor! "Untergang der Titanic" hat er ein Bild genannt, auf dem ein paar Essenskübel aus dem Marqua-Inventar hinter dem Emblem von "Schöller-Eiskrem" in der Badewanne zu versinken drohen. Der "Mensch, den Mond betrachtend" denkt neben einer Schachtel mit Camel-Filter-Zigaretten wohl über die meilenweite Entfernung nach. Wer außer Heinrich kommt schon auf die Idee, ein Bild von hinten zu malen? "L. m. i. A." der Titel. Heinrich zu der Feststellung, dass überhaupt keine Spinnweben darauf zu sehen sind: "Das nächst Mal mal ich den Dreck auch noch mit drauf".

In seinen Aufzeichnungen ist zu lesen, dass er im Sinn hatte, ein Bild mit dem Titel "Mutter und Kind" zu malen. Die Mutter dabei weglassen wollte. "ha ha", so Heinrichs eigener ironischer Kommentar.

Perfektion, Ironie, Assoziation, Humor. Und Allgemeinbildung, resultierend aus seinem Wissensdurst, Interesse an wirklich allem. Heinrich wusste, dass es außer Politik (er war Mitglied im Betriebsrat des Studentenwerkes) und Weltgeschichte noch anderes gibt. Nicht zu erwähnen braucht man sein Interesse an Ausstellungen, Kunstpräsentationen. Selbstverständlich hat er auf der Dokumenta oder Biennale nicht gefehlt.

Gesehenes und Erlebtes werden in seine Werke eingearbeitet. Neulich habe ich während eines Vortrags über den Tübinger Fotografen Paul Sinner (1838 - 1925) bemerkt, dass Heinrich Fotografien Sinners (Neubau der Neckarbrücke und das zerbombte Straßburg) in seinem Triptychon "Stereotypien" verarbeitet hat. Auch in diesem Werk übrigens die symbolischen Zeitziffern. Wer weiß, was wir alles in Heinrichs Werken übersehen, nicht erkennen, ihm mit unserer Allgemeinbildung einfach unterlegen sind.

"Der Künstler ist für mich kein Mensch, der in seinem Kabinettchen sitzt und mit seinen Pinseln diskutiert". Diesen Spruch von Carola Dewor hat sich Heinrich zu Herzen genommen. Hat er eher mit Buchstaben diskutiert? Seine Belesenheit war grandios. "Schwere Kost" (so würde Klitschko sagen) hat ihn keineswegs abgeschreckt, sondern angezogen. Es fallen die Namen Goethe, Kafka, immer wieder Tschechow und immer wieder Thomas Mann. "Die Warze unter dem Auge als Auge". So hat er Mann im "Gelassenen Blick des Matadors" oder im "Großen Bluff" dargestellt.

Zur "Erholung" dann die fischersche Interpretation von "Das Boot" in "Der heilige Sebastian". Oder "Eselsohren": Johannes Mario Simmel vor einer Bücherwand, jedes Buch betitelt mit "Buch".

Bei weitem noch genialer und erfindungsreicher Heinrichs Montagen. So wollte er die Blätter genannt wissen, auf denen er mit geübtem Profiblick zusammenpassende Teile (was in der Sache auch gegensätzliche Themen bedeuten konnte) von Zeitschriftenfotos aneinanderklebte und dem Gefüge einen markanten Titel gab. Montagen deshalb, weil immer nur zwei Elemente zum Ganzen verarbeitet werden. Anfangs noch auf der Rückseite der Marqua-Speisekarte, so dass diese Montagen auf zweierlei Art und Weise zeitgeschichtliches Zeugnis ablegen.

Erfindungsreich, assoziationsreich, manchmal auch skurril. In Heinrichs Aufzeichnungen ist vermerkt, dass er sich viel mit Magritte beschäftigt, von James Ensor geträumt hat.

Bei dem Blitz, der in einer seiner Montagen in den Kölner Dom einschlägt, handelt es sich um „Die Direktübertragung“. Die alte Hütte, bei der ein paar Seerosenblätter aus dem Dach sprießen: „Das Treibhaus“. Ein unter einem U-Boot abwärts driftender Wal ist betitelt mit „Die Walniederlage“. Ein Damenbein über einem vom Wind gebeutelten Feld? „Die Windsbraut“. Damenbeine über der Rialtobrücke in Venedig? „Die Ankunft der Amerikanerin“. Eine japanische (?) Brücke mit „H“- förmigen Pylonen über der Widderallee von Karnak: „Der Ketzerpharao“. Wobei auch an eine kleine unscheinbare Sonne (wir denken an Echnaton) gedacht ist. Eine Zeitung in einem Ventilator: "Das Gerücht". Sechs (!) Ochsenaugen - für Auswärtige sind das Spiegeleier - neben der Maske von Tut anch Amun: "Die fetten Jahre".Über eine andere Montage, die neben der Maske Tut anch Amuns Rembrandts "Mann mit dem goldenen Helm" zeigt und betitelt ist mit "Der Versager", möchte ich mich nicht äußern.

Ca. 1000 solcher Montagen hat Heinrich geschaffen.

Seine umfangreichen Kenntnisse betreffend Antike, Kunstgeschichte, Literatur, Geschichte usw. hat er sich auf seinen Reisen (Italien war sein Favorit, dort wiederum Venedig) und durch unaufhörliche Lektüre von allem, was ihm in die Finger kam, erworben. Originalzitat Ernst Mücke: „Der hat alles gelesen, auch das ganz klein Gedruckte“. Als Italien-Begeisterter gehören auch Italienischkenntnisse zu seinem Repertoire, auf nicht wenigen seiner Werke ersichtlich. Er hatte die Partitur von „Don Giovanni“ auf italienisch in seinem Bücherschrank!

"L' ultima cena" präsentiert uns eine Tomatenpizza mit Mozza, darüber ein Kreuz (allerdings das von den Maltesern!). Wenn auf einem schönen italienischen Mosaik Jonas vom Wal verschluckt wird, sehen wir auf demselben Blatt einen sinnlich geschminkten (venezianischen?) Damenmund mit zu vielen Zähnen.

Nicht unerwähnt bleiben darf der Teil seiner Montagen, bei denen Heinrich anders vorgegangen ist als bei den bereits beschriebenen. Er hat sich einen vorgegebenen Titel aus der Diogenes-Bücherreihe vorgenommen und dazu eine passende bzw. eine geradezu nicht passende und damit vortrefflich geeignete Montage gefertigt. Venedig-Fan Heinrich hat selbstverständlich Comissario Brunettis Fälle gebührend gewürdigt.

Außerordentlich vergnüglich zu lesen sind seine schriftstellerisch zu nennenden Werke. Zwei Bände „Parallelisierungen“, drei Bände „Montagen“. In den Parallelisierungen werden zu Bild-Montagen à la Fischer fiktive Buchautoren mit einem Ausschnitt aus deren natürlich ebenfalls fiktivem Buchband zitiert. Total geistreich und witzig!

Beispiel 1: Erich Machales, Der springende Stein. „Mein Vater hatte einen Hund, der saß immer bei mir hinten im Rolls. Die Leute dachten, meine Eltern hätten Zwillinge. Seither habe ich etwas gegen Hunde.“

Beispiel 2: Giselle Eigensprech, Von der Zungenart. „Der Zeigefinger ist die scharfe Zunge in der Zeichensprache. Die scharfe Zunge ist der Fingerzeig auf eine beredte Sprache. Das Zungezeigen ist das Zeichen einer eindeutigen Sprache.“

Beispiel 3: Manuele Capolavoro, Große Beckenchirurgie. „Die bestehend glückliche Eleganz der Operationstechnik legt ausgesprochen souverän die bestehende Dialektik zwischen Kopf und Hand auf das Schönste bloß.“

Jeweils dazu eine passende Fischer-Montage. Zu Georg Rauchfuss’ „Die glückliche Straße“, zu Nathan Coffstands „Die aufrechten Lehnen“, zu Engeles „Die Rettung der Welt – Neue Prophezeiungen“, zu Achim Dachnases „Statistik des Wachstums“, zu Sepp Brunnwassers „Das Loch im Weinhof“, zu Ilse Ungebills „Anvertraute“, zu Theodor Menschetts „Der Geistige und sein Eigentum“, zu Tanja Nahtnadels „Die gemodelte Welt“ usw.

In Heinrichs Montagen-Bänden sind zu ebensolchen zum Text passenden Bildmontagen Erzählungen, Assoziationen, Reiseberichte, Erlebtes, Fiktives meist aus seinen Italienreisen zu genießen.

So also Heinrich Fischers Kunst. Beeinflusst durch Politik, durch selbst Erlebtes und durch Surrealisten wie Magritte und Ensor. Aber er hat auch z. B. Künstler wie Karl Stirner, den Illustrator von Mörikes Hutzelmännlein, gekannt (!) und immens geschätzt. Stirner, von Ernst Ludwig Kirchner porträtiert, der dessen Talent auch erkannt hat, vielleicht auch ein Vorbild: Ebenfalls aus dem Ländle, unbekannt, verkannt, belächelt. Aber genial wie Heinrich. Wer vermag es schon, wie Stirner mit zwei oder drei Strichen ein Schäfle aufs Papier zu zaubern? Bei einem lila gemalten sizilianischen Gehöftsmäuerchen spüren wir förmlich die Hitze des Tages, merken, wie die schwere wabernde Luft gleichzeitig den Geruch von Macchia-Kräutern und Eselsdung verströmt.

So ergeht es uns auch mit Heinrich Fischers Werken: Sie wecken Emotionen. Vielleicht keine so idyllischen wie bei Stirner. Aber das Wichtigste bei Kunst ist, dass sie "wirkt", auf uns einwirkt, dass sie uns nicht kalt lässt. Damit hat ein Künstler sein Ziel erreicht. Selbst bei Nichtgefallen Emotionen, Wirkung zu erzielen. Nicht jedem gelingt dies. Heinrich gelingt es.

Beim Betrachten seiner Werke gibt es noch viel zu erforschen und zu enträtseln. Eines ist nämlich sicher: Hinter jedem von Heinrichs Leinwandtüpfelchen steckt ein Gedanke. Wer sind die Personen auf „Vor einem Bild von Picasso“? Was bedeutet „§11“?..."usw." würde Heinrich jetzt sagen.

Er ist am 27.07.2005 gestorben.

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Heinrich Fischer


An der Staatlichen Akademie
für Bildende Künste
in Stuttgart

Heinrich Fischer


Öl auf Leinwand
62 x 44
um 1970

Heinrich Fischer


Öl auf Holz
57 x 42
um 1970

Heinrich Fischer


Heine in seiner Wohnstube

Heinrich Fischer


Maritim 2
Öl auf Leinwand
43 x 61, 1979

Heinrich Fischer


Rechtsschwinge
Öl auf Holz
57 x 80, 1980

Heinrich Fischer


Schneller Brüter
Öl auf Leinwand
120 x 100, 1987

Heinrich Fischer


Auf der Galeere
Öl auf Leinwand
100 x 95, 1991

Heinrich Fischer


Wie eine tickende Uhr bei Gegenlicht
Öl auf Leinwand
80 x 65, 1995

Heinrich Fischer


Mensch, den Mond betrachtend
Öl auf Leinwand
120 x 80, 1987

Heinrich Fischer


Der gelassene Blick des Matadors
Öl auf Leinwand
90 x 70, 1991

Heinrich Fischer


Der heilige Sebastian
Öl auf Leinwand
120 x 100, 1986

Heinrich Fischer


Die Walniederlage
Montage
29.10.2003

Heinrich Fischer


L'ultima cena
Montage
09.12.2002

Heinrich Fischer


Der Herr im Café
Montage
17.01.1999

Heinrich Fischer


Vor einem Bild von Picasso
Öl auf Leinwand
100 x 120, 1986